Donnerstag, 6. März 2014

Löslassen und Aufbruch


Wütend ging ich vom Mittagstisch. Ich fühlte mich nicht unterstützt in der Sorge um unser Kind. Eigentlich wollten wir spazieren gehen im herrlichsten Sonnenschein dieses, ach so wundervollen, zeitigen Frühlings. Ich öffnete die Tür zum Balkon unseres Schlafzimmers und legte mich hin. Ich wusste, dass dies nicht das war, was ich wirklich wollte. Doch es gibt da ja immer zwei oder mehrere Kräfte in uns, die Gegensätzliches beabsichtigen. Ich wehrte mich nicht gegen die größere Kraft in mir und wollte auch nicht durchchecken, was vernünftiger wäre oder mich glücklicher machen könnte. Ich ruhte aus im Bett. Mein Mann kam und sah mich schlafen und ging wieder. Enttäuschung - die Erste! Ein wenig nickte ich ein, hatte Träume, er kam wieder, wähnte mich schlafend, und ging. Ich blieb liegen. Enttäuschung - die Zweite! Ich schlief ein, wachte auf und hätte nun voller Kraft alles mögliche tun können ... ich blieb liegen, schlief wieder ein bis ich wesentlich später aufwachte. Völlige Schwere umgab mich ... mein Mann kam und wollte nun endlich mit mir spazieren gehen. Aha, dachte ich, jetzt hat er doch noch sein restliches Arbeitspensum geschafft und ist nicht ohne mich gegangen! ... Enttäuschung - eine weitere! Mühsam erhob ich mich. Es konnte nur besser werden mit einem Spaziergang. Ich litt wieder und trug Leiden in mir und mein Mann schien völlig davon unberührt, wie gewöhnlich. Wieso konnte er Emotionales von sich mit der gleichen Leichtigkeit abperlen lassen wie die Lotosblüte das Wasser und weshalb durchdrang mich der Regen des Leidens wie ein Schwamm? Wir gingen, die Kinder spielten inzwischen quietschvergnügt im Garten, hatten sich Schilf geholt, stopften einen Karton damit aus und schossen mit Pfeil und Bogen dagegen. Naja.  Das übliche - alle fröhlich, ich deprimiert.

Wir zogen also los. Ich hatte alles bei mir, Tüten für eventuellen Müll, den wir aufsammeln würden, Tüten zum Schutz meiner Hände, schließlich wollte ich auch noch Bärlauch pflücken und andere Wildkräuter. Wir gingen nebeneinander her. Könnte er nicht einmal nach meiner Hand greifen? Er tat es nicht. Enttäuschung- Wiederholt! Irgendwann griff er doch nach meiner Hand, nachdem ich sie doch aus der Tasche gezogen hatte. Ich zog meine Hand weg. Er wiederholte, wiederholte nochmals und ließ es schließlich bleiben. Wieso kämpfte er nicht um meine Hand? Enttäuschung - die wiederholte! Wir gingen weiter. Es war so wenig Leben zwischen uns. Ich hing emotional immer noch durch, doch diese Kraft des Widerstandes war sehr, sehr wach. Ich drehte mich um und lief in die entgegen gesetzte Richtung. Mal sehen, wann er es bemerken würde. Natürlich drehte ich mich nicht um. Er folgte mir nicht. Enttäuschung- ich weiß nicht die wie vielte! Mein Herz krampfte sich zusammen und schmerzte. Es schien unerträglich zu werden. Plötzlich spürte ich wie jemand hinter mir lief. schneller wurde, mich fast einholte. Mein Herz hüpfte, meine Mundwinkel zogen sich nach oben. Ich drehte mich um und setzte dabei eine undurchdringliche Miene auf. Ein älterer Herr joggte fröhlich grüßend an mir vorbei. Ich lächelte zurück und war - enttäuscht! Nie kämpfte er um mich, nie! Ich hängte meinen Gedanken nach, umkämpft zu werden, dass sich jemand die Mühe machte, sich um unsere Beziehung zu bemühen. Wieso immer ich?! Die Enttäuschung wurde Ärger. Konzepte stiegen in mir auf, dann sah ich ein Paar mit einem Hund inmitten des Naturschutzgebietes. Mein Ärger wandte sich ihnen zu. Sie waren ziemlich weit von mir entfernt, trapsten und tollten glücklich und zufrieden mit sich, ihrem Hund und der Welt duch geschütztes Gebiet, allen Schildern zum Trotz. Ich schwankte zwischen gefühlvoll zu sein und verständnisvoll und meinem Ärger über die Respektlosigkeit der Erde gegenüber. Man musste die Natur vor den Menschen schützen! Ja klar, da gab es viel Schlimmere, die nicht in die Schranken gewiesen wurden, alle, die mit ihrem Unternehmen Natur zerstörten und sich des Schutzes durch Staaten sicher sein konnten, nur damit keine Arbeitsplätze gefährdet wurden. Lächerlich! Trotz langem Warten am Wegesrand, näherte sich mir das Paar nicht. Ich ging weiter, wohl wissend, dass sie wohl den anderen Weg einschlagen würden. Zwischendrein meldeten sich erneut Gedanken zu meinem Paarsein und wieder dachte ich an meinen Vater, wie er damals mich im Kinderheim besuchte und wieder ging, ohne mich mit zu nehmen, wie ich erhofft hatte bei seinem Besuch. Wie lange würde dieser Schmerz aus diesem Trauma meiner Kindheit mich noch begleiten? Wie lange würde er bei mir sein, eine Wunde, die nie versiegte? Ich schaute auf die Erde und fühlte ihre Kraft und ihre Liebe. Ich kam an einem Acker vorrüber, die Schollen hoch aufgeworfen vom Pflug und auf ihr, weiße, kleine Kügelchen. Dünger! Dünger, der die Erde kaputt machte. Die Erde sah nicht gut aus. ich betete wiederholt um den Beistand meiner Engel. Heute sollte ein guter Tag sein, Altes loszulassen und alte Verletzungen zu heilen. Morgens war ich mir da nicht so sicher, ob dies mich betreffen würde, aber was sollte es, naja! Ich war wohl mittendrin :-) Nun wendete ich mich wieder gedanklich dem Pärchen zu und erkannte sehr wohl, ihre Liebe zur Natur, ihr sich Wohlfühlen in der Landschaft. Was wusste ich wirklich von ihnen? Ich überlegte, wie ich denn Menschen ansprechen könne, um sie für Aktionen zu gewinnen, die meiner heiß geliebten Mutter Erde dienbar sein würden. Wieso trug ich nie Handzettelchen bei mir, um zum gemeinsamen Aufräumen von Müll in der Natur einzuladen? Wieso war ich so blind für das Positive Tun? Wieso tat ich es allein oder nur im Familienverbund? - Plötzlich wurde mein Auge von wildem Schnittlauch im Gebüsch abgelenkt. Im Unterholz zwischen zwei Äckern da wuchs er - wilder Schnittlauch. Ich nahm mein Löffelchen und mein Tütchen und grub behutsam einige Pflänzchen aus für unsere Streuobstwiese. Dorthin wollte ich sie verpflanzen. Wie ein Dieb kam ich mir dabei vor, obwohl mir vorschwebte, Pflanzen zu mehren und dort wieder einen Lebensraum zu ermöglichen, wo sie bereits verschwunden waren durch Menschenhand. Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen! Ich dankte der Mutter Erde. 

In diesem Unterholz lagen viele Tempotaschentücher von kleinen menschlichen und Hundsgeschäften zeugend. Mich widerte es an, täglich zu sehen, wie Wegesränder voll sind mit Scheiße und Unrat und Müll, achtlos hingeworfen, nicht für ihre Beseitigung gesorgt und inmitten all der Wildkräuter, von denen ich wusste, wie hilfrreich sie uns nun sein würden im Frühjahr, wenn man sie ernten und verzehren könnte. Allemal hilfreicher als sämtliche Nahrungsergänzungsmittel! Ich spürte all meinen Zorn, meinen Schmerz, mein  Mitgefühl mit meiner geliebten und geschundenen Mutter Erde, die wir so respektlos behandelten und ihre Güte und Gaben missachteten. Ich musste, ich wollte mich um sie kümmern. Was tat ich den ganzen Tag, wieso konnte ich mich nicht dieser einen Aufgabe voll und ganz verschreiben? 
Ich sah die Äcker, die nun folgten, ausgelaugte, blasse Erde, beinahe jedes Jahr Mais tragend, nun auf einem der Felder Winterweizen oder -gerste. Ich lief auf dem Feld auf einer Traktorspur. Die Erde dort war hart und bemoost. Ich litt mit der Erde, es schmerzte mich, sie so zu sehen, die Fruchtbringende, wie sie verdorrte, auslaugte, unfruchtbar wurde, künstlich befruchtet mit Dünger aus der Chemiefabrik, mich ekelte - von hier wollte ich nichts essen. Ich breitet meine Arme aus und sendete ihr all meine Liebe und betete, dass diese klieb all jene ergreifen mögen, die auf diesem Acker arbeiteten und an ihm vorüber zögen. Ich betete meine ganze Liebe auf dieses Stück Erde.
Mir fiel wieder ein, was meine Freundin mir bei unserem Spaziergang erzählte: das Erste, was wir lieben müssen sei Gott, lehrte sie einst ein Lehrer in einem Seminar, in dem es um Beziehungen ging - na klar dachte ich da, es ist auch das erste Gebot! ich sinnierte, in welcher Reihenfolge die Gebote stünden und was dann an nächster Stelle kam - auf jeden Fall, sich die Erde untertan machen. - Wie sehr wir dieses Gebot missverstanden! Alle wirklich guten Könige und Kaiser waren sich dessen bewusst gewesen, dass der erste Diener im Staat sie selber seien. Sich jemanden Untertan machen, bedeutet nicht, ihn auszubeuten und zu erniedrigen, wie es wirklich viele Herrschende über Jahrtausende taten und es sich uns so einprägte. Und heute tun wir alle dies, mehr denn je, selbst Herrscher geworden, frei von der Unterdrückung durch Mächtige? Mehr denn je, nachdem wir Könige und Kaiser erfolgreich abgeschafft haben. Sich jemanden Untertan machen, so sinnierte ich weiter, bedeutete in Wahrheit, ihm zu dienen, ihn zu achten und zu respektieren und Ehrfurcht vor seiner Lebendigkeit zu haben. Konnten wir das, haben wir noch diesen Bezug zur Erde, als einem lebendigen Wesen, dass uns nährt? Dass uns alles ist, was wir brauchen? Konnten wir das noch zwischen uns? Haben wir die ehrliche Ehrfurcht voreinander, vor unserem Sosein? ... Wer bin ich und was ist meine Aufgabe? MARA - die Erdheilerin. Das war es, was ich tun wollte und musste. Das drängte mich mehr denn je. Ich will lieben, verstehen, in Ehrfurcht sein vor dem anderen und was tat ich hier? - Ich holte mein Ego wie ein lieb gewordenes Spielzeug immer wieder hervor, die Erde, unsere Mutter brauchte mich, brauchte uns und ich heulte, weil mein Mann nicht um unsere Beziehung kämpfte, so wie ich es verstand, sich nicht bemühte. Alles Begrifflichkeiten, die ich zutiefst ablehnte, zu kämpfen und sich zu mühen ... Wer war ich, das zu fordern? Wo war ich? Merkte ich,  was mein Mann brauchte, meine Hand, meine Zuneigung und ich wollte umworben werden wie eine Braut. Ich sah, dass das kleine, enttäuschte Mädchen von damals noch in mir war und um sein vergangenes Recht kämpfte. Doch um welchen Preis wollte ich die Vergangenheit im Heute korrigieren. Aus dem damaligen Bedürfnis war ein unstillbares Monster geworden, ein Egomane, der sich breit machte und sich glaubte fordern zu dürfen, was ihm beliebte... Ich war eine von uns allen. Es ging nicht mehr länger um mich und meine egomanischen Bedürfnisse der Vergangenheit, was mir damals geholfen hätte zu haben, stellte sich mir heute als verhängnisvolles Hindernis in den Weg. Es fesselte mich zu tun, wofür ich geboren war, wofür ich gekommen war ... Plötzlich spüre ich die Freiheit, dies zu tun und mich von all den egomanischen Fesseln zu befreien, die unsere zivilisierte Kultur uns vorgaukelte, haben zu müssen - angefangen damit: Achte deinen Wert ... Lass dich gut bezahlen. Nimm dir, was du brauchst. Erfülle deine Träume. Sei erfolgreich! Du hast ein Recht auf Reichtum usw. - Womit füllten wir all dies? --- Wie viele Menschen grenzte ich aus, an meinem Reichtum teil zu haben, weil ich meinte, genau diesen Preis für meine Arbeit verdient zu haben? Ich hatte so viele Menschen kennen gelernt, die gerade so über die Runden kamen, so viele, die nicht wussten wohin mit ihrem Geld. - Doch was genau bedeutete Reichtum, was, sich achten und seine Arbeit achten? Ich begriff, dass wenn sich etwas ändern wollte, wenn meine Vision wahr werden sollte, dann musste ich den Menschen um mich herum Zugang verschaffen zu meinem, mir zur Verfügung gestelltem Wissen. Ich litt unter der Leere meiner Seminare. Ich wollte, weil ich musste, mit Menschen mein Wissen teilen ... wie konnte ich mich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen und zeitgleich, durch einen fest gelegten Preis für meine Arbeit, mich binden? Ich bin nicht sehr gut darin, Preise fest zu legen. zu mir kommen meistens die Menschen, die gerade so über die Runden kommen, doch sie haben Herz und es erfreut mich, wenn es ihnen gut geht. Ich habe so viele großzügige Menschen kennen gelernt und das Leben hat sich mir gegenüber immer als großzügig erwiesen. Vielleicht sollte ich endlich dahin kommen und meiner Natur nachgeben, meinem tiefen Vertrauen, dass das Leben mich trägt und dass ich keinen Preis habe. --- 

Das Ende vom Lied dieses Spazierganges war es, dass ich sehr, sehr dankbar war, dass mein Mann mir nicht gefolgt war und nicht um mich kämpfte und sich nicht um mich mühte, sondern schaute, wohin es ihn trieb und was er jetzt brauchte, denn ab morgen würde er wieder einige Zeit unterwegs sein und dafür sorgen, dass das Leben mich großzügig versorgte und behandelte! Die Erdbotin, die Erdheilerin, das war ich, das war mir in die Wiege gelegt und zeitgleich Frieden in die Herzen der Menschen zu bringen, denn das, so lehrte mich Mutter Natur, war der Weg zu ihrer Heilung und zu meiner! Carpe diem! Liebe, darum geht es und um sonst nichts!